Portrait Holger Leue

Holger Leue gilt als einer der angesehensten deutschen Reisefotografen. Seine Aufnahmen aus aller Welt sind bereits in mehr als 100 Bildbänden, Reiseführern und Kalendern, sowie in unzähligen Zeitschriftenartikeln erschienen.

Er fotografiert regelmäßig für Magazine und Verlage, sowie für Fremdenverkehrsämter, Reedereien und Reiseveranstalter. “Das Wohlbefinden, welches ich an einem Ort verspüre”, sagt er, “spiegelt sich in der Qualität der Aufnahmen wider.” Bislang hat Holger Leue Auftragsarbeiten in über 100 Ländern verwirklicht.

Ein Großteil seiner Arbeiten wird von den marktführenden Bildagenturen Getty Images und LOOKphotos repräsentiert.

Wenn ich zu einem neuen Fotoprojekt in einem fernen Land aufbreche, höre ich selbst von guten Freunden manchmal ein saloppes “Hab’ einen schönen Urlaub!” – obwohl sie es mittlerweile eigentlich wissen müssten, dass ich meine Arbeit stets verantwortungsbewusst angehe. Seit mehr als zwei Jahrzehnten bin ich als Reisefotograf tätig und betrachte es als meine Aufgabe die Quintessenz einer angesteuerten Destination best­möglich einzufangen. Es ist eine aufregende, heraus­fordernde aber auch ergiebige Arbeit. Ich fühle mich jedenfalls sehr privilegiert durch meinen Beruf so viele Aspekte dieser wundervollen Welt entdecken zu können, und während meiner Reisen so viele großartige Menschen kennenlernen zu dürfen.

Mein erstes Foto knipste ich im Alter von sechs Jahren. Es entstand während eines Familienurlaubs in Holland und zeigt Schwäne. Eigentlich ist es nur ein halbes Bild, da ich die Filmkassette aus der Instamatic-Kamera herausnahm, um sie wieder in die dafür geschaffene Lücke der Verpackung zu stecken (ein Blitzwürfel war ebenfalls dabei). Diesen Fehler machte ich allerdings nur einmal. Seitdem wurde die Kamera mein stetiger Begleiter.

Nach einem Fotojournalismus-Studium an der University of California in Santa Cruz arbeitete ich für Tages- und Wochenzeitungen in Kalifornien. In diesem Zusammen­hang musste ich eines Tages die Zerstörungen eines verheerenden Erdbebens dokumentieren. Da bemerkte ich, dass der Beruf als Fotoreporter nicht ganz mein Ding sei, und dass ich stattdessen versuchen wollte, meinen Lebensunterhalt als Reisefotograf zu verdienen.

Mit gesundem Optimismus, Elan und unbegrenzter Neugier, sowie mit etlichen hundert Filmen reiste ich nach Neuseeland, wo ich mir ein altes Auto und ein Zelt kaufte, um drei Monate lang Aotearoa zu erkunden (so nennen die Maori-Ureinwohner das “Land der langen weißen Wolke”). Es war eine herrliche, unbeschwerte und vor allem prägende Reise. Nach meiner Rückkehr präsentierte ich die Bilder dem neuseeländischen Fremdenverkehrsamt, wurde daraufhin empfohlen für ein deutsches Reisemagazin eine Auftragsarbeit durch­zuführen, was wiederum zu einem Buchprojekt führte. Das Glück des Tüchtigen trat ein und das eingegangene Risiko wurde belohnt.

Meistens dauern meine Produktionen zwischen ein bis drei Wochen. Während dieser Zeit bin ich stets fokussiert: vom Morgengrauen bis weit nach Sonnenuntergang bin ich auf Motivsuche. Oftmals sind es konkrete Auftrags­arbeiten, die ich aufgreife, manchmal fotografiere ich auf spekulativer Basis und vermarkte die Resultate im Nach­hinein. Lange Tage und kurze Nächte sind jedenfalls die Regel und es kann es durchaus vorkommen, dass ich erst am letzten Tag eines Aufenthalts auf einer Trauminsel realisiere, dass meine Zehenspitzen noch nicht mal das Wasser berührt haben.

Jeder Tag, den ich “auf Montage” verbringe, ist jedoch nur Teil des Gesamtbildes. Für jeden Produktionstag benötigt es mindestens noch einen Bürotag, um die erforderlichen Bearbeitungen vorzunehmen: so z.B. das aufwändige Sichten und Filtern des Bildmaterials, das Optimieren der RAW-Dateien unter Nutzung von Lightroom, schließlich noch das akribische Beschriften und die systematische Archivierung der Bilder. Und dann ist da auch noch das Marketing...

Zudem benötigt jedes Projekt sorgfältige Vorbereitung mit viel logistischem Aufwand. Meine engen Koopera­tionen mit diversen touristischen Partnern helfen mir dabei – nicht zuletzt, um die Reisekosten in Grenzen zu halten. Die manchmal daraus resultierenden Aufenthalte in 5-Sterne-Hotels oder auch auf Kreuzfahrtschiffen sind natürlich willkommen, aber ich fühle mich genauso wohl, wenn ich mit Zelt oder Camper unter fünf Millionen Sternen nächtige.

Während der vergangenen Jahre habe ich viele Foto­shootings für diverse Reedereien durchgeführt, um Bildmaterial für deren Reisekataloge und andere Werbe­zwecke zu kreieren. Obwohl die Arbeit auf Schiffen manchmal eine ziemliche Herausforderung ist (die Land­gänge dauern oft nur ein paar Stunden, meistens auch nur bei Tageslicht), so hat mir die Kreuzfahrt die Möglichkeit gegeben, ziemlich viel Territorium in über­schaubarer Zeit abzudecken.

Aber noch viel prägnanter ist die Tatsache, dass ich mit dem Schiff auch Gegenden kennenlernen durfte, die sonst nicht so leicht erreichbar sind: so z.B. die Antarktis oder der Amazonas. Die Reisen an Bord eines Luxusliners sind natürlich auch sehr angenehm: eine bequeme Kabine (keine Notwendigkeit Koffer zu schleppen), das fröhliche Beisammensein mit anderen Gästen und Crew, vorzügliches Essen, und – last not least – Gin Tonics mit Eiswürfeln direkt von einem vorbeigleitendem Eisberg.

Flexibilität und Mobilität sind enorm wichtig bei der Verwirklichung einer erfolgreichen Reisefotografie. Dazu gehört überschaubares Equipment. Derzeit arbeite ich mit spiegellosen Canon EOS R5 und Canon EOS R Kameras mit 1:4/14-35, 1:1,8/35 Makro, 1:4/24-105 und 1:2,8/70-200 original Canon R-Objektiven. Ebenfalls nutze ich eine Sony RX100 iv Kompaktkamera mit lichtstarkem 1:1,8 Zeiss-Objektiv, eine DJI Osmo Action mit Unterwasser-Dome sowie eine GoPro Hero 4 Silver. Die Gerätschaften passen in einen Tamrac Nagano 16L Fotorucksack, der bequem und aufgrund des Innenreißverschlusses auch sicher ist. Hinzu kommt ein professionelles Manfrotto-Stativ aus Karbon, ein leistungsstarkes MacBook mit mehreren Backup-Laufwerken, sowie ziemlich viel Kabelsalat. Seit ein paar Jahren ist auch die “fliegende Kamera” essentiell. Ich nutze zwei Mavic 2 Pro- und eine Mavic Mini 3-Drohnen (natürlich immer nur eine auf einmal). Und da “bewegte Bilder” mittlerweile wichtiger Bestandteil des Repertoires sind, verwende ich zwei DJI Pocket 2-Gimbals (wobei ich einen davon für Gegenaufnahmen auch gerne an jemanden abgebe). Voila: Die Werkzeuge eines Reisefotografen!

Ich habe die Fotografie schon immer als Handwerk betrachtet, bei dem ich versuche, einen Moment auf kunstvolle Weise einzufangen. Als Perfektionist möchte ich das bestmögliche Resultat erzielen, doch man sollte auch nie vergessen, dass ein Foto erst so richtig fasziniert, wenn es neben optimaler Technik auch Seele hat. Die Kamera ist lediglich ein Werkzeug und ein wirklich gutes Bild entsteht oftmals hinter dem Sucher.

Wenn ich nicht in der weiten Welt auf Suche nach dem besten Licht bin, erfreue ich mich an meinem “Heimat­hafen” im osthessischen Haunetal, wo ich auch alle Büroarbeiten erledige. Auch für einen Weltenbummler ist die Heimat sehr wichtig. Oftmals beginnt es jedoch bereits kurz nach einer Rückkehr schon wieder an zu jucken: mit einem Verlangen nach neuen Entdeckungen, nach erweiterten Horizonten.

Vor einiger Zeit wurde ich mal gefragt, welche fünf Abenteuer mir fehlten, die ich mit ein wenig Glück und Passion in nicht allzu ferner Zukunft noch zu erfahren wünschte. Nach kurzer Überlegung kamen mir folgende in den Sinn: Ich möchte gerne den Taj Mahal bei Sonnen­aufgang sehen, den berühmten Fischmarkt in Tokio besuchen, die Tierwelt im südlichen Afrika von einem Heißluftballon aus sehen, Paris entdecken (sobald ich die Frau meines Lebens gefunden habe – dann aber auch nur mit einer Kompaktkamera) … und irgendwann würde ich gerne mal die Erde vom All aus betrachten.

“And I think to myself, what a wonderful World ...”